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Ein reicher Heckendalheimer Kalkbauer, der des öfteren seiner Kalkgeschäfte halber aus dem Bayerischen in das damalige Preußische hinüber mußte, war auch wieder einmal kurz vor Weihnachten von dort auf dem Heimweg. Die Sonne war gerade untergegangen, als er an das Ende des Staffeler Waldes kam – (der Staffel ist der Berg südwestlich von St. Ingbert, auf den die Straße, die gemeinhin mit Staffel bezeichnet wird, durch einen wunderbaren Wald hinauf in den Gau führt).
Da hörte er hinter sich die Postkutsche den Staffel herauffahren, und weil er gerne noch vor der Dunkelheit zu Hause sein wollte, entschloß er sich, sie anzuhalten. Merkwürdig kam es ihm zwar vor, daß der Postillon in seiner leuchtend blauen bayrischen Uniform, der Johann von Ensheim, den er gut kannte, heute so sonderbar auf dem Bocke saß und daß die Kutsche leer war.
Trotzdem rief er dem Johann zu, anzuhalten, was jener jedoch gar nicht zu bemerken schien, und im selben Tempo weiterfuhr. Ein wenig betroffen schaute der Kalkbrenner dem Johann nach, der heute wohl nicht ganz bei Troste sein mußte, sah ihn plötzlich vom Wege abbiegen und, o heiliger Schreck, die steile Böschung der Rheinfels mit der Kutsche in das tief eingeschnittene Ensheimer Tal hinabfahren. Ganz er-schrocken griff nun der Michel ein wenig rascher aus – und hörte nach einigen Schritten wieder die Post hinter sich den Berg heraufrumpeln. Donnerwetter, dachte nun der Michel, da ist ja wirklich was los, schaute um und sah den Ens-heimer Johann wahrhaftig lachend auf dem Bock sitzen; im Kasten hinter ihm aber grüßten ihn freundlich ein paar Landsleute. Halb verstört hält er auch diesmal wieder die Post an, stieg zum Johann auf den Bock und wußte eigent-lich immer noch nicht, woran er war. Der Postillon brachte ihn schließlich doch zum Erzählen und klärte ihn dann auch über den seltsamen Vorfall auf, daß nämlich schon des öfteren in seinen langen Dienstjahren, allerdings nur im Advent, diese Geisterpost vorangefahren sei, den einen oder anderen Reisenden angeführt habe, um dann die hohe Böschung hinabzusausen. Für den Fall, daß sie dem Michel noch einmal begegnen sollte, möge er sie nur herzhaft anrufen, bei sich aber still ein Vaterunser beten. Sei es die richtige, so werde sie schon halten, die falsche könne ihm dann aber auch keinen Schaden bringen.
Eine ernste Warnung am Karfreitag
Zwischen Heckendalheim und dem Ensheimerhof liegt in der Gemarkung „Die Weiden“ die sogenannte Buchs-blumenkaul. Man sieht nichts von ihr, bis man unmittelbar vor ihr steht. In ihr selbst aber wächst nur einiges Gestrüpp und auch wilde Obstbäume, die mit ihren Gipfeln schon ein wenig aus der 3 – 4 Meter tiefen „Kaul“ herauslugen. Entstanden mag sie wohl dadurch sein, daß in ganz alter Zeit die Bewohner von Heckendalheim hier, auf dieser Kalkhöhe, Steine brachen, vielleicht schon zum Kalk-brennen. Jedenfalls ist dieser verödete, tiefe wenn auch kleine Steinbruch – er ist ja nur eine große Kaul – besonders in der Morgen- oder Abenddämmerung ein wenig unheimlich.
Nun war es noch vor den achtziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts Sitte, daß die Bauern auch am Karfreitag aufs Feld gingen, ihre Arbeiten zu verrichten, genau so wie an jedem andern Wochentag auch. Und so fuhren, es mag wohl schon vor 1875 gewesen sein, zwei Heckendalheimer Bauern an die Buchsblumenkaul zum Ackern. Sie dachten sich dabei wirklich weiter nichts Böses, weil sie am Karfreitagmorgen sich anschickten, ihren Acker zu pflügen. Die übrige Familie war ja nach Ommersheim zum Gottesdienst gegangen, die mochte für sie mitbeten, bei ihnen ging halt die Feldarbeit vor.
Und so begannen sie denn mit ihrer Arbeit. Der Acker aber lief ganz auf die „Kaul“ zu, bei der sie jedesmal umwenden mußten. Aber schon, als sie das erste Mal an die Kaul kamen und in die Senkung hinunterschauten, erschraken sie nicht wenig und auch die Pferde wurden unruhig. Denn unten auf dem Grund sahen sie einen todesstarren Priester liegen in seinen feierlichen Gewändern des heiligen Kar-freitags. In der Hand hielt er einen Kelch und seine Augen waren starr und unheimlich dräuend auf die beiden ge-richtet.
Wenn ihnen auch das Blut in den Adern zu gefrieren drohte, so kehrten sie doch wie im Zwange schweigend den Pflug um und arbeiteten weiter. Auch als sie das nächste Mal an die Kaul kamen, zeigte sich ihnen dasselbe warnende Bild, dieselbe Vision. Aber sie konnten nicht aufhören, unerbittlich mußten sie fertig pflügen, und jedesmal beim Um-wenden in die Kaul hinabschauen. Man kann es wohl verstehen, daß sie bleich und verstört nach dem Pflügen ins Dorf zurückkamen. Und es leben noch Leute, die sie auf ihrer Heimfahrt sahen und die auch bestimmt noch wissen, daß von den beiden niemals einer mehr den „Finger am Karfreitag krumm machte“, so kräftig waren beide durch das gespenstige Gesicht geheilt.
Der Schlapphut
Am Ausgang des St. Ingberter Waldes auf dem Wege nach Ensheim geht der „Schlapphut“. Er begegnet dem Wanderer auf der Berghöhe im Nebel, springt ihm auf den Rücken und reitet ihn bis zum Ensheimer Hof, wo er verschwindet.
Das Pferd ohne Kopf bei Nussweiler
Viel erzählt man sich auch vom „Nußweiler Bann“, einer Gemarkung der Heckendalheimer Bauern. Darin sollen, wie in der benachbarten „Lindweiler“ Gemarkung, ehemals wieder zwei reiche Dörfer gestanden haben, Nußweiler im Schatten seiner mächtigen alten Nußbäume und ihm gegen-über Lindweiler, das voll prächtiger Linden grünte. Und beim Dorf Ommersheim erhebt sich auf einer Höhe auch der Nußweiler Hof, dem man, obwohl erst 1870 erbaut, doch diesen uralten Namen zur Erinnerung gab. Der „Nußweiler Bann“ aber liegt auf der linken Seite der Kirkelbach, das Ensheimer „Geerlen“, ein unheimlicher düsterer Wald von dunkelnden Tannen, auf der rechten Seite. Von Nußweiler also herauf kommt an bestimmten Tagen ein Pferd ohne Kopf gegen Heckendalheim zu. Auch sitzt ein Reiter darauf, der jedoch nicht zu erkennen ist.
Original Pferd vom Nussweiler Hof 2019 – hier aber mit Kopf. Siehe auch das kopflose Pferd von Fechingen.
Die Parforce-Jagd auf dem Nussweiler Bann
Eine Bauersfrau von Heckendalheim erzählte mir auch noch unlängst von einem sonderbaren Erlebnis, das sie auf Nußweiler als kleines Mädchen hatte. Sie war damals an einem Sonntagmorgen mit den Kühen auf der Weide, als plötzlich von Nußweiler heraus die „Proforschjagd“ angesaust kam. Sie hörte deutlich in der Luft ihr lautes Hundebellen, das Pferdegetrappel und „Hjüh“ rufen. Die ganze Jagd kam auf sie zu, die Kühe jagten mit „peelricht“ aufgerichteten Schwänzen davon, doch da war die „Proforschjagd“ schon über sie hinweg. Ihr Vater, das war mein Großvater, war höchst erstaunt, als er plötzlich die Kühe den Hanfberg herabrasen sah und konnte keine Erklärung finden, bis seine Tochter atemlos und halb zerschlagen auch zu Hause ankam.
Auf der Straße von St. Ingbert nach Ensheim bei einer Wegkreuzung stand bis vor kurzem ein uraltes, morsches Eichenkreuz, das jetzt durch ein neues ersetzt ist. Von der Entstehung dieses alten Kreuzes aber geht diese Sage.
Vor mehr als hundert Jahren trieb an einem schwülen Sommernachmittag ein Landmann sein Ochsengespann dem Gehöft Reichenbrunn zu. Er hatte es eilig; denn der Abend war nahe und am Himmel stieg schwarzes Gewölk drohend herauf und schon hörte er dann und wann den Donner grollen. Da, als die Zugochsen an die Wegkreuzung kamen, blieben sie plötzlich halten. Umsonst schwang der verzweifelte Bauer, der seine Wagenladung noch rasch vor dem Gewitter in Sicherheit bringen wollte, die Peitsche. Die sonst so willigen Tiere blieben stehen und waren von der verrufenen Stelle nicht mehr fortzubringen. Ein fürchterlicher Regenschutt hub an. Unaufhörlich krachte und blitzte es um ihn und gleichzeitig ward eine solche Finsternis, daß er keinen Schritt mehr weit sehen konnte. Da entblößte der Bauer das Haupt und gelobte, wenn Gott ihn aus dieser Gefahr errette, solle ihm dieser verrufene Kreuzweg ein geweihter Ort sein, an dem er ein Kreuz errichten werde. Und sogleich zog das Gespann an, das Gewitter hörte auf und er brachte seine Fuhre unversehrt unter Dach. Und alsbald kündete ein hohes Kreuz von der wunderlichen Geschichte und Errettung.
Der verrückte Grenzstein
„Die Ausdehnung der Äcker kennzeichnet man seit altersher durch Grenzsteine. Sie dürfen nie versetzt werden. Ein habsüchtiger Bauer tat es auf dem Ensheimer Bann aber doch. Das mußte er schwer büßen. Denn es dauerte nicht lange, so starb der Übeltäter, und von nun an mußte er allnächtlich als Gespenst mit einem Grenzstein auf dem Kopfe umgehen. Ohne Ruhe schleppte er ihn auf dem Dorfgelände umher. Immer seufzte und stöhnte er, und von Zeit zu Zeit rief er laut: ‚ Wo soll ich ihn hinlegen?‘ Schauerlich drang dann dieser Ruf durch die stille Nacht.
In einer Märznacht sah ihn der Nachtwächter des Dorfes. Der war ein mutiger Mann, näherte sich ganz allmählich dem Gespenst und rief ihm schließlich zu: ‚ Setze den Stein wieder schnell dorthin, wo du ihn weggenommen hast!‘ Gleich darauf hörte der Nachtwächter einen lauten Plumps. Von da ab herrschte wieder Ruhe auf Ensheims Fluren.“