Vor alten Zeiten wohnte einmal droben auf dem Großen Stiefel ein gräulicher Riese, der so stark war, daß er die stärksten Waldbäume wie Hanf ausreißen und Felsenstücke so groß wie kleine Häuser aufheben konnte, was man an dem Riesentisch dort an der Seite des Stiefels, gegen das Mühlthal hin, sehen kann, den er sich gemacht hat.
Der Riese lebte von Menschenfleisch und hieß Kreuzmann und zwar vielleicht deshalb, weil er den Menschen soviel Leid und Kreuz machte, da er doch ein gottloser Heide war. Von Zeit zu Zeit stieg er von seinem Berge herab in die Thäler, wo die Bauern in Hütten wohnten, und raffte ohne Unterschied alle Menschen zusammen, deren er habhaft werden konnte und schleppte sie auf den Großen Stiefel, wo er sie in einen großen hölzernen Käfig einsperrte, bis er Hunger bekam. Die Leute sollen in dem Käfig oft so arg geschrieen haben, daß man es weithin habe hören können. Darüber habe sich der Riese aber gefreut und habe gesagt: „Wie schön meine Vögel pfeifen!“
Wenn er Hunger bekam und eine Mahlzeit halten wollte, nahm er einen oder mehrere Menschen heraus, um dieselben zu schlachten. Auf seinem Felsentisch verzehrte er sodann dieselben, nachdem er sie vorher auf der Felsenplaine, an deren Ende sein Tisch stand, gebraten hatte.
Lange Zeit trieb so der Riese sein Unwesen, da ermannten sich endlich die Leute, denen er doch bald zu arg machte, und beschlossen ihn anzugreifen. Man wartete den Zeit-punkt ab, da er eine Mahlzeit gehalten hatte, weil er gewöhnlich darauf einige Tage fest zu schlafen pflegte. Da thaten sich die Leute zusammen und schleppten Stroh, Reisig und Gehölz um den Thurm, wo der Riese schlief, und zündeten es an, um denselben zu ersticken. Als der Rauch in das Gemach eindrang, wo der Riese schlief, wurde er aber von demselben wach und hielt ihn für einen etwas dicken Waldnebel. Der Rauch aber kitzelte den Riesen in der Nase, daß er plötzlich niesen mußte, was aber ein solches Getöse verursachte, daß die Leute erschrocken den Berg hinabflüchteten.
Aus seinem Gemache tretend, um frische Luft zu schöpfen, gewahrte er jedoch alsbald das angezündete Feuer und merkte nun, was man mit ihm vorhatte. Da wurde er sehr zornig und ergriff das nächste Beste, was ihm in die Hände kam, seinen Wetzstein, und wollte ihn auf seine Feinde schleudern. Der Wetzstein fuhr sausend durch die Luft und fiel ohne jemand zu beschädigen, da er über die Menschen weit hinwegflog, aufs Renntriesch, mit der Spitze in die Erde, wo er zum Wahrzeichen neben dem Bache heute noch zu sehen ist.
Der Riese aber stolperte, als er den Berg herablaufen wollte, um mit einem Baume die Feinde zu erschlagen, über einen Stein und stürzte betäubt nieder.
Als dies die Feinde sahen, liefen die beherztesten derselben herbei und schlugen ihn vollends tot. Und begruben ihn in ein tiefes Loch und deckten seine Leiche solange mit Steinen zu, bis daraus ein kleiner Berg entstand, der heute noch das Riesengrab heißt.
Die Krimhildespill
Unterhalb des Stiefels bei Scheidt und in Rentrisch ragt an uralter Straße der mit dem geheimnisvollen Namen aus Nibelungenzeiten begabte Krimhildespill oder auch im 16., 17. und 18. Jahrhundert wohl „Grimolde Pfeil“ genannte Stein auf. Das ist eine viereckige Spitzsäule aus keltischer Zeit, die etwa fünf Meter über die Erde und ungefähr ebenso tief in dieselbe reicht und deren Alter man wie das des Gollensteins ob Blieskastel, auf 4000 Jahre schätzt. (…)
Dieser von so manchen Geheimnissen umwitterte Spillen-stein soll dann eben der Sage nach dem auf dem großen Stiefel hausenden Riesen Kreuzmann als Wetzstein gedient haben, wenn er seine Schwerter schliff oder seine Messer schärfte, mit denen er seine Menschenopfer auf dem „Riesentisch“, jener eigenartigen Felsenbildung auf dem Gipfel seines Berges schlachten wollte. Auch erzählt man, daß er ihn einmal in Wut vor seinen Verfolgern und vor seinem jähen Ende vom Stiefel ihnen nach zu Tal geworfen habe, wobei er sich hier in Rentrisch dann erst in die Erde eingebohrt habe…
Der wilde Jäger des Stiefels
Vom großen Stiefel, dem Rodensteine der Saar- und Blies-gegend, zieht dem wütenden Heere voran der wilde Jäger, ein gewisser Freiherr von Maltitz, welcher allenthalben noch im Umkreise spukt. Sein Jagdbereich erstreckt sich von Staffel und Stiefel über das Scheidter-, Sulzbach- (Malditzeberg bei Dudweiler) und Köllertal bis in das Prims- und Neustadter Tal, und die Kinder schreckt man bis auf den heutigen Tag mit dem Rufe: „O wei, der Maltitz kommt!“
Im Scheidter- und Sulzbachtal ist Maltitz aber nicht nur Anführer der im Herbststurm durch die Wälder und Felder brausenden „proforschen Jagd“, er erscheint auch zu ande-ren Zeiten, und sogar am hellen Mittag, als langer, hagerer, steinalter Förster. Gewöhnlich sitzt er dann bewegungslos auf einem Grenzstein am Waldesrand, bis ihn die Leute, die auf dem Felde arbeiten, entdecken und sich zuraunen: „Der Maltitz, der ewig Jär, do owwen am Wald huckt’r!“ Ehe sich die Leute aber recht umsehen, ist er wieder verschwunden.
Gemeint ist hier vermutlich: Georg Wilhelm von Maltitz, auch: Georg Wilhelm von Maldiss (* 16. Dezember 1705; † 11. März 1760). Ab 1741 Oberjägermeister des Fürsten Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken. Über seine Beisetzung wird berichtet, sie fand am 15. März 1760 „um Mitternacht, gleich nach 12 Uhr“ …“in ansehnlichem Leichenkondukt“ über die einsame Landstraße zur Stiftskirche in St. Arnual „unter sehr ehrender Leichenpredigt“ bei gespenstischer Fackelbeleuchtung seines untergebenen Forstpersonals statt. Historischer Maltitz, der in Sagen und Redensarten des Saarlandes in der Rolle des „Wilden Jägers“ auftaucht, von Gott zur Führung einer ewigen Jagd verdammt, weil er am Karfreitag einen Hirsch jagte.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Maltitz_(Adelsgeschlecht)
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass etliche von uns für ewiges Zelten verdammt werden dürften. Naja, gibt Schlimmeres.
Um das Jahr 1856, als sie an einem Tag von der Arbeit auf dem Hüttenwerk befreit waren, beschlossen sie, sich im Wald am Stiefel eine Fuhre dürres Holz zu machen und beschieden einen Verwandten zum Abholen des Holzes zur gewissen Stunde am bezeichneten Ort mit der Kühfuhre einzutreffen.
Sie gingen hierauf in den Stiefeler Wald und trafen am östlichen Abhang des Stiefels, ungefähr 100 Schritte von seinem höchsten Punkt einen dürren, eichenen, noch auf der Wurzel stehenden Stumpen, der einige Tragläste Holz abwerfen mochte. Sie schickten sich gleich an mit ihren Äxten diesen Stamm, dessen oberer Theil abgebrochen und schon weggebracht war, zu fällen. Sie hieben von beiden Seiten fleißig darauf los, aber trotz der guten Schneiden ihrer Äxte ging nicht ein einziger Hieb ein und unter der Wurzel dieses Stammes pummert, rumpelt und poltert es bei jedem Hieb, als wolle der ganze Stiefel auf einmal zusammenstürzen. Es wird ihnen angst und bang, der Angstschweiß rieselt in starken Tropfen von der Stirn, sie laßen zu gleicher Zeit mit ihren Hieben nach, blicken sich ängstlich verwundert in stummfragender Miene gegenseitig an und gewahren urplötzlich vor sich stehend den oben-beschriebenen alten Jäger.
Wer vermag ihren Schrecken zu beschreiben? Schneller als man denken kann, ergreifen sie die Flucht, rennen gleich einem gehetzten Reh den Berghang herab und treffen unten auf der Ebene die bestellte Kühfuhre, die sie schnell um-kehren und unverrichteter Sache nach Hause eilen, mit dem festesten Vorsatz, auf dem Stiefel kein Brandholz mehr zu sammeln, das sie bis heute auch gehalten.
Die Geisterkutsche
Im Holzsammeln begriffen auf dem höchsten Punkt des Stiefel gewahrten die Leute eine mit 4 Rappen bespannte Chaise, die im sausenden Galopp des zu dem Schloßplatz führenden Wegs gleichsam flog mit dem vollsten Hufschlag und Chaisengeprassel. Auf dem Platze angelangt hielt die Chaise plötzlich still und man hat Muße mit den staunend aufgerissenen Augen sich alles genau zu besehen. Die Chaise sehr groß, nach einer noch nie gesehenen Façon gebaut, ist reich verziert mit Beschlägen [aus] Silber; Kasten und Holzwerk dunkelgrün lackiert; schwarzes Lederwerk; vorn [ist] ein Bock, worauf in dunkelblauen Röcken reich mit Silberlitzen verziert, rothen ebenso verzierten Westen, weißen Halsbinden und Handschuhen, hohen Napoleons-hüten ein Kutscher und ein Bedienter sitzen. In einem Sitz hinten an der Chaise sitzen zwei in grüne Jägeruniformen, mit goldenen Litzen besetzt, runden auf einer Seite aufge-krämpten Hüten mit grünem Federbusch gekleidete Per-sonen, die man für Leibjäger halten kann. Die 4 Rappen, wunderschön in Bau und Haltung, sind mit Zuggeschirr beladen, dessen sämtliches Schnallenwerk von Silber [ist]. Und das ganze Geschirr strotzt von silbernen Rosetten.
Bei dem Anhalten der Chaise steigt rasch der Bediente vom Bock, ebenso die 2 Jäger von ihrem Sitz. Bei jedem dieser beiden letzteren bemerkt man zur linken Seite einen reich verzierten Hirschfänger, an schwarz lackierter Lederkuppel über die rechte Schulter hängend. Die Jäger stellen sich in militärische Achtung und der Bediente öffnet rasch den Kutschenschlag. Aus dem Kasten steigen in gravitätischer Haltung, mit Achtung gebietenden, trotzigen Mienen 4 wunderschöne Damen mit gepuderter Kopffrisur, seidenen Kleidern von dem glänzendsten hellblauen Stoff, die am Oberkörper eng anliegen, die Brust aber stark hervortreten lassen, mit kurzen weiten Schiffärmeln, unter denen ein feiner mit Spitzen verzierter weißer Gace-Ärmel erblickt wird. Der Rock ist auffallend weit, blendend weiße Strüm-pfe zieren die Beine und zierlich geformte Schuhe von blauem Saffian schließen die Füße ein. Jede dieser Damen trägt eine schwere goldene Kette um den bloßen Nacken.
Zugleich steigen 4 Herren aus der Chaise, deren Alter man nicht genau bestimmen kann, wegen ihrer gepuderten Kopffrisur, gleich wie bei den Damen. Nur soviel ist bemerkbar, daß ihre Gesichtszüge eine regelmäßige Schön-heit haben. Diese Herren treten ebenfalls ernst und mürrisch heraus, verbeugen sich gravitätisch gegen die Damen, die es in zierlichen Komplimenten erwidern. Diese Herren tragen blaue Fräcke mit langen Schößen, hochgelbe Westen, weiße zierlich gefaltete Chemisetten, schwarze Halsbinden, blen-dend weiße, bis unter die Knie reichende Hosen, weiße Strümpfe und Schuhe von schwarzem Glanzleder mit silbernen Schnallen.
Freundliche Blicke werden gegenseitig unter den Damen und Herren gewechselt, sie reichen sich die Hände, bilden einen Kreis und beginnen in dieser Stellung einen Tanz, der nach und nach rascher wird und endlich so schnell, daß man kaum mehr die Personen zu unterscheiden vermag. Dieser Tanz mag ungefähr 10 Minuten angedauert haben, als plötzlich in bemessenen, langsamen und gravitätischen Schritten den südöstlichen Abhang des Stiefels ein alter Mann heraufschreitet, der gleich beim ersten Anblick einen Jäger erkennen läßt an Kleidung und Wesen. Aus seinem bartlosen fahlgrauen Gesicht blitzen 2 funkelnde Augen, seine Kopfbedeckung ist ein etwas niedriger runder Hut, auf der rechten Seite aufgekrämpt und an dieser Krämpe stecken einige Federn wilder Vögel. Ein Überrock von grauem Wolltuch mit grünem Kragen und Aufschlägen, gelben mit Jagdfiguren verzierten Knöpfen, eine dunkelgrüne Weste mit einer Reihe gelber, gleichfalls so verzierter Knöpfe, die geschlossen ist bis an die schwarze Halsbinde, graue Wolltuchhosen und bis über die Knie ragende schwarze, plumpe Lederstiefel schließen die hagere, lange, aber kräftig aussehende Gestalt dieses Jägers ein, der auf der linken Seite einen Jagdsack, sogenannten Büchsenranzen, und unter diesem einen Hirschfänger trägt, und auf der rechten Schulter nachlässig eine schwere Büchse hängen hat.
Bei dem Herannahen dieses Jägers fliegen die im sausenden Reigen begriffenen Herren und Damen auseinander, huschen rasch in die umfangreiche Chaise, Bedienter und Jäger dieser Herrschaften fliegen nach geschlossenem Kutschenschlag rasch auf ihre Sitze und in sausendem Galopp huscht die Chaise gleichsam wie im Flug mit ihrer Beladung davon, deren Gerassel nach wenigen Minuten gänzlich verhallt ist, worauf dann der erschienene alte Jäger, der dem Verschwinden der Chaise mit scharfem Blick nachgesehen, auch plötzlich verschwunden ist.
Der Bauer und der Schatz
Das ehemalige Schloß auf dem Großen Stiefel bei St. Ingbert war einst die Behausung gefürchteter Ritter, die nur vom Stegreife lebten. Als sie ihr Wesen aber gar zu arg trieben, wurden sie ausgehoben und als Räuber gehenkt; ihre Burg fiel der Zerstörung anheim. Ihre Schätze jedoch konnten nicht gefunden werden und ruhen noch heute, von bösen Geistern bewacht, im Innern des Berges.
Vor vielen, vielen Jahren suchte ein reicher Bauer, dessen Sinn nur nach Geld und Gut stand, den Schatz zu haben. In dunkler Nacht grub er ganz allein auf der Höhe des Berges und stieß nach harter Arbeit auf eine eiserne Kiste. Er legte sie völlig bloß; da sprang auch schon der Deckel auf und blankes, glitzerndes Gold lachte ihm entgegen. In seiner Freude stieß der Bauer einen lauten Jubelschrei aus. Damit aber versank unter fürchterlichem Getöse der Schatz und von unsichtbarer Hand bekam der Schatzgräber eine so gewaltige Ohrfeige, daß er betäubt zu Boden stürzte.
In der Kühle des Morgens kam er wieder zu Bewußtsein. Als er über das Geschehen nachdachte, gewahrte er, daß jede Spur seiner nächtlichen Arbeit verschwunden war. An der Stelle der von ihm ausgeworfenen Grube sah sein Auge gewöhnlichen Waldesboden, mit Laub und Moos bedeckt. Seine Werkzeuge, an denen kein Stückchen Erde haftete, lehnten in der Nähe an einem Baume.
Als er noch sann und sann, hörte er über sich lauten Flügelschlag und von einem Baume herab erklang ein so teuflisches Hohnlachen, daß es ihm durch Mark und Bein ging. Schreckerfüllt eilte er in wilder Flucht den Berg hinab; seine Werkzeuge flogen ihm nach und fanden sich einige Tage später am Fuße des Berges. Der Bauer selbst aber verfiel in ein hitziges Fieber und schwebte wochenlang zwischen Tod und Leben. Wieder genesen, war er ein ganz anderer als früher und ließ sich genügen an dem, was er hatte.
Das Stiefler Schloss ist eine sehr kleine Burgruine bei St. Ingbert im saarländischen Saarpfalz-Kreis.
Es konnte bisher nicht abschließend geklärt werden, welchen Zwecken die mittelalterliche Turmhügelburg diente. Mit der Erbauung im frühen Mittelalter ist das Stiefeler Schloss jedenfalls eine der ältesten Burgruinen Deutschlands.
https://de.wikipedia.org/wiki/Stiefler_Schloss
Burgruine ist schon ein tickchen übertrieben an dieser Stelle. Dort liegen ungefähr 3-4 Steine die ein Mäuerchen bilden.
Die Sage vom Ritter Heim
In jenen alten Zeiten, als noch die Bewohner unserer Gegenden umher Heiden waren, sollen auf sieben der höchsten Berge des Landes, nämlich auf dem Hohen oder Großen Stiefel, auf der Gemarkung von Ensheim, auf dem Roten oder Schafskopfe, dem ersteren gegenüber, auf der Gemarkung von St. Ingbert, auf dem Berge, worauf das fürstliche nassauische Jagdschloß Neuhaus lag, auf dem Hölsberge bei Biesingen, auf dem Höcherberge bei Neunkirchen und noch auf zwei anderen nicht mehr bekannten Punkten sieben christliche Ritter gewohnt und unter sich, gegen die feindlichen Angriffe und Überfälle der Heiden, ein Bündnis zu Schutz und Trutz gemacht haben. Auf den hohen Warten ihrer Burgen sollen sie lange Stangen aufgestellt, an dieselben große Pechkränze befestigt und dieselben zur Zeit der Not angezündet haben, um die Verbündeten so zur Hilfe herbeizurufen.
Die Sage nennt als damaligen Herrn des Stiefeler Schlosses den Ritter Heim. Dieser Ritter soll sehr reich und namentlich Eigentümer aller Ortschaften der ganzen Umgegend gewesen sein, deren Namen nach seinem Namen sich auf „heim“ endigen, wie Ensheim, Bischmisheim, Ommersheim, Ormesheim, Bebelsheim und andere mehr. Einer seiner Verbündeten habe Weiler geheißen und sei Herr aller Ortschaften gewesen, deren Namen auf „weiler“ ausgehen. Ritter Heim, heißt es weiter, habe eine Tochter gehabt, welche aus innerem Antriebe sich mit Erlaubnis ihrer Eltern in das damals schon bestehende Kloster oder Stift St. Arnual habe aufnehmen lassen, aber nicht lange danach gestorben sei und auch in der Stiftskirche begraben liege.
Im Schloßgarten der ehemaligen Burg auf dem großen Stiefel (bei Ensheim) zeigt sich bisweilen das „Schloßfräulein“, die fromme Tochter des guten Ritters Heim, des Gründers der Burg und des Wohlthäters der ganzen Um-gegend, der wie König Dagobert unter ähnlichen Verhält-nissen von seinen Bauern einmal gerettet worden. Wenn phantastisch geformte Nebel über den Berg hinziehen, heißt es: das Schloßfräulein suche ihre Rosen. Von ihrem glück-bringenden Walten folgende Sage.
In den Weiler Sengscheidt (Ensheimer Gemarkung) kam vor Zeiten ein vornehmer Fremder, sein zweijähriges Töchterlein in den Mantel gehüllt, und fand freundliche Herberge bei den redlichen Leuten, wo er auch sein Leben verbrachte. Der Hirte des Dorfes war dem Kinde besonders zugethan. Am Tage vor Weihnachten sah er im Schloßgarten oben einen wundervoll blühenden Rosenstrauch, er brach einige Rosen, schenkte sie dem Kinde, das wand sich ein Kränzlein daraus, und bewahrte dieses als ein Glück-zeichen von der Schloßjungfrau in ihrem Kasten. Das Kind erwuchs zur holdseligsten Jungfrau und ward die ersehnte Braut des Grafen von Saarbrücken. Am Hochzeitstage holte sie ihre Rosen hervor, und sieh – es war ein Kranz von lauter Gold und Edelgestein.
Der Schloßgarten auf dem großen Stiefel
Die Burg auf dem „Großen Stiefel“ bei St. Ingbert war längst schon zerfallen und wildes Gestrüpp wucherte in dem ehemaligen Schloßgarten. Da kam ein Mädchen aus einer nahen Ortschaft an die Halden des Berges um würzige Waldbeeren für die Mutter zu suchen, die krank und siech daheim in der ärmlichen Hütte lag.
Trotz aller Mühe konnte das Kind, das immer weiter den Berg emporstieg, nichts finden. Als es die Höhe erreichte, sah es mit Staunen in der Nähe des Schlosses statt niedrigen Gesträuches einen herrlichen Garten mit Blumen und Früchten. Seine Verwunderung wuchs noch mehr, als sich eine stattliche Frauengestalt in prächtigem Gewande näherte. Die Erscheinung winkte der Kleinen, die zögernd und furchtsam in den Garten folgte. Dort wurde ihr be-deutet, das Körbchen mit den schönsten und würzigsten Beeren zu füllen. Rasch pflückten die kleinen Hände und bald hatte das Mädchen genug. Dann aber brach die Dame die herrlichsten Rosen ab und gab sie dem Kinde in die Schürze, bis diese nichts mehr fassen konnte. Hierauf gebot sie dem Mädchen alles der Mutter zu bringen.
Die Beschenkte stammelte ihren Dank und trat eilend den Heimweg an. Erfreut empfing die Mutter ihren Liebling; sie hatte sich schon sehr um ihn gesorgt und gefürchtet, es möchte ihm im wilden Forst ein Leid begegnet sein. Wie erstaunte sie aber, als das Kind seine Gaben vor ihr ausbreitete und sein Erlebnis erzählte.
Die Mutter aß von den saftigen Beeren und fühlte sich sofort erfrischt und von neuem Leben beseelt. Mit den Rosen schmückten beide die ärmliche Stube. Als sie aber am Morgen erwachten, die Mutter vollkommen gesund, da hatten sich in der Nacht die Rosen in eitel Gold verwandelt. Die Beglückten eilten auf den Berg, um der gütigen Spenderin zu danken. Der schöne Garten jedoch mit seinen Beeren- und Blumenbeeten war verschwunden und an seiner Stelle wucherten wieder wilde Hecken.
Glück und Segen zogen mit den Gaben der gütigen Fee in das Häuschen der Armen ein. Das Mädchen erblühte zur lieblichen Jungfrau, deren Schönheit weithin bekannt wurde. Ein Ritter der Umgegend führte sie als Burgfrau auf sein Schloß; aber nie erfüllte Hochmut ihre Seele.
Vor langen Zeiten stand auf dem Großen Stiefel bei St. Ingbert ein prächtiges Schloß und nach seiner Zerstörung sah man noch die Ruinen davon aus dem Boden. Ins-besondere schauten die Umwohner oft nach dem Türlein, das in ein Gewölbe führte und stets verschlossen war. Gar viel wurde von ihm erzählt, daß es einen Raum hinter sich berge, der ganz mit Reichtum und Pracht angefüllt sei.
Da war einmal ein armer Schäfer, der fand einst am Abhange des Berges eine Schlüsselblume von lauterem Golde. Gleich dachte er an das Türlein, brach die Blume und eilte zur alten Pforte. Er öffnete sie und trat ein. Wie staunte er, als er in einem großen, hellerleuchteten Saale stand, in dem unermeßliche Reichtümer angehäuft waren. Den biedern Schäfer packte die Habsucht und er stopfte sich die Taschen voll. Bei seiner Rückkehr aber vergaß er den Schlüssel und merkte das erst, als er im Freien war. Rasch will er zurück; da braust es wie ein Sturmwind aus dem Berge, donnernd schließt sich die Pforte und schlägt noch dem Schäfer den Absatz des Schuhes weg. Dennoch eilt der schwer Beladene freudig heim zu den Seinen. Als er aber nachschaut, hat er nur Steine in den Taschen.
Die gelben Schlüsselblumen
Am Südabhange des Großen Stiefel bei St. Ingbert, unterhalb der spärlichen Schloßruine, wächst sehr zahlreich die Waldschlüsselblume. Früher als an anderen Orten öffnen sich dort ihre gelben Blüten.
Vor langen, langen Jahren an einem Vorfrühlingstage, als noch der Schnee ringsum in den Rinnen und Schluchten der Berge lag, erging sich hier eine Jungfrau. Kummer und Leid bedrückten ihre Seele; denn ihr Bräutigam, ein flotter Jägersmann, hatte sie verlassen, weil es ihr an irdischem Gute fehlte, und dafür eine reiche Bauerntochter gefreit. Die Arme besaß nicht Vater und Mutter, nicht Bruder und Schwester, denen sie ihre Not klagen und bei denen sie Trost finden konnte. In der stillen Einsamkeit des Waldes weinte sie sich aus.
Da fiel ihr Blick auf die gelben Schlüsselblumen. Sie pflückte eine Blüte und wollte gehen. Doch der Blumenflor ließ sie nicht mehr los; sie nahm immer weiter und weiter davon und immer mehr vergaß sie Kummer und Leid. Es war schon Abend, als sie mit einem mächtigen Strauße in ihrem Hüttlein ankam. Müde begab sie sich zur Ruhe, indem sie ihre Seele Gott und seinen heiligen Engeln befahl.
Am andern Morgen war ihr erstes nach den Blumen zu sehen. Doch was sollte sie erblicken? Alle die gelben Blütensterne hatten sich in der Nacht in pures, blinkendes Gold verwandelt. Das Wunder sprach sich bald herum, so geheim sie es auch hielt; doch jedermann gönnte der Braven ihr Glück.
Sie zog später nach der nahen Stadt, wo sie die Frau eines angesehenen Bürgers wurde und mit ihrem Reichtum viel Gutes stiftete. Der ungetreue Jäger aber hatte das erlangte Vermögen verpraßt und fand einen bösen Tod im Walde.
Jedes Jahr pflücken seitdem junge und alte Menschenkinder von den schönen Schlüsselblumen am „Stiefel“; allein das Wunder, das dazumal geschah, hat sich nicht wiederholt.
Der Elfentanzplatz auf dem Stiefel
Von der eigenartigen Felsbildung des Riesentisches auf dem Stiefel, also einer großen Steinplatte, die auf einem Felsklotz schwebt, erzählt man sich die liebliche Sage, daß unsere Vorfahren darauf einst Elfen tanzen sahen. Und auch heute noch sollen sie in Mondnächten dafür empfänglichen Augen sichtbar sein.
Als das Schloß auf dem Stiefel zerfallen war, kam eines Tages ein fremder Ritter mit seinen Mannen in diese Gegend, stellte die Burg wieder her und machte sie zu seinem Wohnsitze. Man wußte nicht mehr, woher er kam, nur, daß er Reppert heiße, war bald bekannt. Das Volk aber nannte ihn wegen der viele Überfälle und Räubereien, mit denen er die ganze Gegend unsicher machte, den „Schnapp-hahn“.
In einem engen, fast finsteren Tälchen, von Ausläufern des Stiefels gebildet, stand eine von den Untergebenen des Ritters betriebene Waffenschmiede und die sogenannte Brudermühle. Heute liegt dort das Dorf Rentrisch. Hier lauerte der Raubritter den vorüberziehenden Reisenden auf. Weit und breit war diese Stelle gefürchtet und mancher Reisende mußte unfreiwillig ins Burgverließ des Raub-schlosses wandern. Lange machte Reppert durch sein Un-wesen die ganze Gegend unsicher.
Doch sollte ihn auf einmal das Schicksal ereilen. Einst hatte er eine Jungfrau aus dem Dorfe Scheidt geraubt und hielt sie auf seinem Schlosse gefangen. Da ward er plötzlich von einer bösen Krankheit befallen und da das böse Gewissen ihn peinigte, so fürchtete er überall Gift und Verrat. Niemand durfte weder ein- noch ausgelassen werden. Bei Nacht verwahrte er die Burgschlüssel unter seinem Haupte. Von Arzneien wollte er, aus Furcht vergiftet zu werden, nichts wissen. Die Gefangene bat ihn, nach Saarbrücken zu einem Heilkünstler gehen zu dürfen, um einen Heiltrunk für ihn bereiten zu lassen. Anfangs wollte er darauf nicht eingehen, als aber nach zunehmender Krankheit keine andere Wahl mehr blieb, ließ er sie gehen. In Saarbrücken bereitete man einen Schlaftrunk für denselben und als er bei ihrer Rückkehr gierig zwei Flaschen davon leerte, schlief er so fest ein, daß der lauteste Trompetenschall ihn nicht aufgeweckt haben würde. Draußen aber harrten schon die Kriegsknechte und auf das verabredete Zeichen drangen diese in das Schloß und knebelten den schlafenden Ritter und brachten ihn nach Saarbrücken. Als er in der frischen Luft erwachte, erkannte er, daß er ein verlorener Mann sei. Im Triumphe führte man ihn durch die Stadt, wo er bald durch das Henkerbeil vom Leben zum Tod befördert wurde. Die Burg aber wurde zerstört und liegt seitdem in Trüm-mern.
Der Spuk am Großen Stiefel
In dem felsigen Waldgelände zwischen der Blies und der Saar, etwa eine Wegstunde von St. Ingbert, ragt ein steiler, seltsam gestaltet Bergrücken. Er heißt von altersher der Große Stiefel. In grauer Heidenzeit hat es dort Riesen gegeben. Der schrecklichste von ihnen war der Kreuzmann. Wie er zu diesem Namen gekommen ist, scheint ein düsteres Geheimnis zu sein; denn mit dem christlichen Kreuze hatte er gewiss nichts zu schaffen. Er war ein Menschenfresser. Hoch oben auf dem Großen Stiefel stand sein Turm, worin er hauste. Am Berghang ragt noch heute der ungeheure Felsentisch, worauf der die geschlachteten und gebratenen Opfer verzehrte.
Wenn er Hunger bekam, stieg er in die Täler und holte sich aus den Hütten jedes Mal ein oder zwei Menschlein. Manchmal erwischte er auch mehr. Dann sperrte er die übrig bleibenden in einen aus Fichtenstämmen gezimmerten Käfig. Oft hörte man meilenweit im Lande das Geschrei der Unglücklichen, wenn er einen von ihnen herauszog für seine grausige Mahlzeit. Und jedes Mal ertönte darauf sein Hohngelächter. „Horch, wie meine Vögel pfeifen!“ höhnte der Unhold. Nach dem Mahle verschwand das Ungeheuer in seinem Turm, und wer durch den Wald ging, konnte ihn schnarchen hören. So trieb er es lange Zeit, und des Jammers unter den Bauern des Landes schien kein Ende zu sein. Schließlich aber schlossen sie sich in ihrer Verzweiflung zusammen, um dem Menschenfresser zu Leibe zu gehen. Er hatte gerade ein paar Kinder verspeist und schnarchte in seinem Bau lauter denn je.
Da kamen mit einemmal an tausend Bauern der Berg herauf, und jeder trug ein Bündel Reisig oder Stroh. Im Augenblick hatten sie rund um den Turm einen großen Scheiterhaufen aufgeschichtet und ihn angezündet. Es gab eine Flamme, als ob der ganze Berg in Feuer aufginge. Als der Qualm in die Turmfenster eindrang und dem Kreuzmann in die Nase stieg, musste er gewaltig niesen. Das klang so fürchterlich, dass die Leute, was sie konnten, den Berg hinunterliefen. Es war aber auch höchste Zeit. Der Kreuzmann war vom Niesen wach geworden. Er sprang durch die Flamme aus dem Turm heraus. Wutschnaubend ergriff er seinen Wetzstein und schleuderte ihn den Fliehenden hinterher. Der sauste über ihre Köpfe hinweg in das Dörfchen Rentrisch, das am Fuße des Großen Stiefels liegt. Dort drang er neben dem Bach tief in die Erde ein, und da steckt er noch heute als ein großer, spitziger Felsblock. Wie der Menschenfresser sah, dass er seine Feinde nicht getroffen hatte, lief er ihnen nach. Nun wären sie verloren gewesen. Er hätte sie unter seinen Füßen zermalmt. In ihrem Glück aber stolperte er über einen Eichenstamm, der im Walde lag, und fiel mit dem Kopf so schwer auf einen Felsen, dass ihm die Hirnschale barst und er besinnungslos liegen blieb. Da machten die Fliehenden Kehrt und schlugen ihn mit ihren Äxten vollends tot. Die Riesenleiche wurde in eine Bergmulde geworfen und so lange mit Felsgestein zugedeckt, bis sie gänzlich verschwunden war und sich über ihr ein mächtiger Steinhügel wölbte. Er heißt noch heute das Riesengrab.
Bei dieser etwas längeren Sage handelt es sich um eine Kombination aller bekannten Märchen rund um den Stiefel in teils etwas abgewandelter Form
Ein paar hundert Jahre später kamen sieben fromme christliche Ritter in das Waldgebirge an der Saar. Niemand wusste, woher sie kamen, und sogar ihre Namen sind unbekannt geblieben. Sie suchten sich die sieben höchsten Felsenberge aus, verteilten sie untereinander und erbauten sieben Burgen. Die sind nun freilich schon seit tausend Jahren zerfallen und selbst die Kunde, wo sie lagen, ist verschollen. Doch will man an den Bausteinen und Mauerresten, die auf einzelnen saarländischen Waldbergen unter den Wurzeln der Bäume, den Sträuchern und Moosen, gelegentlich zum Vorschein gekommen sind, drei dieser Burgstätten wiedererkannt haben, den Höcherberg bei Neunkirchen, den Hölsberg bei Bliesingen und den Roten Kopf bei St. Ingbert. Nur eines der sieben Bergnester kennt man genau. Es ist das Stiefler Schloss, die uralte Ruine auf dem Großen Stiefel. Der Ritter, welchem es gehörte, hieß beim Volke Ritter Heim. Er soll sehr reich, doch auch sehr gut gewesen sein. Als sein Geschlecht ausgestorben war, zerfiel das Schloss allmählich. Die Raubritter, die danach im Lande hausten, richteten es zu ihrem Schlupfwinkel ein, weil sie von da die Kaufleute überfallen konnten, welche durch die Schlucht bei Rentrisch kamen.
Es gibt aber noch ganz andere Geheimnisse in den dunklen Wäldern am Großen Stiefel, seltsame Dinge, die bis an unsere Tage heranreichen. Es geistert in diesen Forsten höchst unheimlich. Noch vor wenigen Jahrzehnten haben Leute dort sonderbare Geschichten erlebt. So haben Hüttenarbeiter, die zufällig in der Nacht von Bischmisheim nach St. Ingbert gingen, deutlich den Maltitz im Walde brausen hören. Andere wollen ihn sogar gesehen haben. Dieser Maltitz war einst ein freiherrlicher Jagdmeister im Köllertale. Er ließ die armen Landleute unbarmherzig frohnen. Am Sonntag Vormittag mussten sie Treiberdienste leisten, sodass sie nicht in die Kirche gehen konnten. Als einmal ein alter Bauer, während die Glocken feierlich zur Messe riefen, den Jagdmeister bat, das unheilige Handwerk zu unterbrechen, damit er ein Vaterunser beten könne, schlug ihm der erboste Mensch die Saufeder um den Kopf, dass das Blut nur so rann. In demselben Augenblick fuhr wie der Blitz eine große schwarze Wildsau aus dem Gehölz, dem Maltitz gerade zwischen die Beine. Er kam rittlings auf das Tier zu sitzen, und im Nu war es mit ihm im Walde verschwunden. Man at ihn nie wiedergesehen, es wäre denn als wilden Jäger, in stürmischen, dunklen Nächten. Da jagt er auf der Wildsau, begleitet von Geisterhunden und Wölfen, durch die Saarwälder. Dazu wird er wohl auch heute noch verdammt sein.
Dieser Wilde Jäger vom Köllertal ist aber nicht das Schlimmste, was einem am Großen Stiefel begegnen kann. Es braust vorüber, und man braucht nur ruhig stehen zu bleiben, so kann einem nichts geschehen. Und am Tage ist man vor ihm sicher. Peinlicher ist eine Begegnung mit dem Alten vom Saarwalde. Da wird einem, sei es im lichten Sonnenschein oder in webender Mondnacht, auf einmal ganz ängstlich zumute, ohne dass man sagen könnte, wovor man sich eigentlich fürchtet. Aber plötzlich wendet man den Blick nach irgend einer verdächtigen Stelle, und siehe, da steht totenstarr, mit fahlem Gesicht, ein steinalter Mann im Jagdrock, einen Hirschfänger an der Seite und eine wallende wilde Feder auf dem Hut. Er sieht einem mit funkelnden Geisteraugen gerade ins Gesicht, und es soll noch niemand diesem Blick standgehalten haben. Wer immer den Alten sah, der ist in bleicher Angst, so schnell erkonnte, davongelaufen. Zuletzt ist er vor nicht sehr langer Zeit von zwei Bergleuten gesehen worden, die auf dem Großen Stiefel einen Eichenstumpf klein machen wollten. Es kam ihnen schon verdächtig vor, dass es bei jedem Streich ihrer Äxte in der Tiefe des Berges kollerte und rumpelte. Schließlich ließen sie von der Arbeit ab und blickten einander verstört an. Da stand plötzlich ihnen gerade gegenüber im Schatten einer Buche der gespenstische Alte. Sie ließen alles stehen und liegen und rannten, was sie konnten, ins Tal hinunter.
Auf andere Weise wieder geht es um in der Nähe der Stiefler Schlossruine. An gewissen Sommertagen, wenn es ganz windstill ist und die Luft von den Dünsten des Waldes zu flimmern beginnt, kann es vorkommen, dass ein einsamer Wanderer mit einem Mal den Schlossgarten, wo seit vielen hundert Jahren nur Brombeerhecken, Ginster und Farne wachsen, in seiner ganzen ehemaligen Pracht und Blüte vor sich sieht. Da gibt es Rosen, Malven und Akelei, schimmernde Wege und schattige Laubengänge. Ehe man vor Verwunderung recht zur Besinnung kommt, ist alles wieder verschwunden.
Auch die Schlüsselblumen, welche im Frühjahr so zahlreich auf den unteren Hängen des Berges blühen, sind nicht von gewöhnlicher Art. Sie sind üppiger, goldener als andere und haben einen seltsam süßen Duft. Als einmal ein armes Mädchen, ein Waisenkind, das von seinem Jägerburschen verlassen wurde, weil er eine reiche Wirtstochter freien wollte, in Trübsinn fiel und durch den Wald irrte, kam es zufällig auf die Halde am Großen Stiefel unterhalb der Burgruine. Wie es die goldleuchtenden Blumen sah, lächelte es unter Tränen und pflückte sich einige davon, um nicht immer an den untreuen Geliebten denken zu müssen. Den Strauß trug es nach Hause und stellte ihn über Nacht in einen Krug. Als es den Blumen am nächsten Morgen frisches Wasser geben wollte, da merkte es, dass sie zu lauterem Golde geworden waren. Das arme Ding schämte sich seines Reichtums und versteckte den Schatz, aber es kam doch heraus, und da bekam es einen flotten Reitersmann zum Liebsten, der es auch bald geheiratet hat. Der andere, der sie verlassen hatte, verprasste das Geld seines Schwiegervaters, kam in Schulden und Unehre und hing eines Tages als Leiche im Bergwald am Großen Stiefel.
Man erzählt auch von großen Schätzen, die in der Nähe des Stiefler Schlosses zwischen den Felsen vergraben liegen. Sie kommen von den Raubrittern her, die auf dem Schlosse lange Zeit ihr Unwesen getrieben haben. Was die an Kostbarkeiten den Reisenden und Kaufleuten raubten, vergruben sie meistens außerhalb der Burg im Walde. Wenn sie dann in ihrem Neste ausgehoben und nach Recht und Gesetz gehenkt wurden, blieben die Schätze in der Erde, und sie liegen wohl auch gegenwärtig noch da verborgen. Es ist nicht ratsam danach zu suchen; denn es spukt gefährlich von unbekannten Geistern, die sie zu bewachen scheinen. Einmal ging ein habsüchtiger Bauer mit Spaten und Hacke zu nächtlicher Stunde auf den Schlossberg, weil er meinte, eine Stelle zu kennen, wo solch ein Schatz vergraben lag. Eifrig machte er sich an die Arbeit, und richtig, nach geraumer Zeit legte er eine große eiserne Kiste bloß. Schnell hob er den Deckel hoch. Da gleißte im Mondschein das lauterste Gold. Obwohl er sehr gut wusste, dass man beim Schatzgraben schweigen muss, stieß er vor Freude einen lauten Jubelruf aus. In demselben Augenblick versank die Kiste tief in der Erde. Er selber aber erhielt eine knallende Ohrfeige. Die war so kräftig, dass er bewusstlos zu Boden fiel. Als der Morgen dämmerte, erwachte er aus seiner Ohnmacht. Verwundert nahm er wahr, dass von seiner gestrigen stundenlangen Arbeit nicht die Spur zu sehen war. Ringsum nur Moos, Ginster und Waldklee. Unbenützt lehnten an einer Buche seine Werkzeuge. Während er noch staunte, erklang über ihm im Wipfel der uralten Wettertanne ein so teuflisches Hohngelächter, dass es ihm durch Mark und Bein ging und er ohne an die Mitnahme seiner Geräte zu denken in großen Sätzen den Berg hinabrannte. Wie er den Wiesengrund erreichte und atemlos verweilte, flogen Spaten und die Hacke, von ungeheurer Kraft geschleudert, über seinen Kopf hinweg in die Wiese, wo sie tief im Erdreich stecken blieben. Er soll danach ein bescheidener, mit seinem Los zufriedenen Mensch geworden sein.
Der Reppert und sein Weib
Als das Schloss auf dem Großen Stiefel schon lange verlassen lag und nur die Eulen und Fledermäuse in seinen leeren Hallen wohnten, kam irgendwoher aus der Ferne ein Ritter in das Land. Das alte Felsennest auf dem steilen Berge und mitten in dem großen, dunklen Walde war ihm gerade recht; denn er lebte vom Stegreif. Bald war er gefürchtet, als einer der wildesten und gefährlichsten Räuber. Die Kaufleute machten lieber einer großen Umweg, statt die Straßen zu benützen, welche in der Nähe des Stiefler Schlosses durch den Wald führen. Wie der Ritter eigentlich hieß, wusste niemand. die Leute nannten ihn den Reppert. Bald erfüllte er die ganze Saargegend mit Schrecken; denn er tauchte unvermutet bald hier, bald dort im Lande auf, sodass man sich seiner nirgends versehen konnte.
Eines Tages überfiel der Reppert ein schönes Mädchen aus dem Dorfe Scheidt, als es gegen Abend eine Kapelle besuchte, die einsam auf der Höhe lag. Er hob es auf sein Pferd und hielt es fest. Damit es nicht schreien konnte, stopfte er ihm einen Knebel in den Mund. Als es dunkel wurde, ritt er mit seiner Beute auf Schleichwegen, wo ihm niemand begegnete, nach dem Stiefler Schloss zurück. Er brachte die Maid in die Gemächer, wo einst die Frauen der Burgherren gewohnt hatten, und gab ihr da alle Freiheit. Tat ihr auch nichts zu Leide. Doch ließ er sie durch seine Burgleute streng bewachen, sodass sie auf keine Weise entfliehen konnte. In Scheidt aber wussten die Leute nicht, wohin das Mädchen gekommen sei. An den Reppert, der sonst nur Geld oder Geldeswert zu rauben pflegte, dachte kein Mensch.
Die arme Jungfrau weinte zuerst bitterlich. Dann aber, als der Reppert ihr nicht nur alle Ehre erwies, sondern ihr sogar ritterlich den Hof machte, beruhigte sie sich allmählich, und schließlich wurde sie des Raubritters Weib. Sie gewann einen großen Einfluss auf ihn. Der rauhe, finstere Mann, dem der Galgen drohte, wenn man ihn erwischte, wurde heiter und freundlich, so oft er bei seinem schönen jungen Weibe saß. Bei ihr vergaß er, dass sein Leben längst verwirkt war durch die vielen Schandtaten, die er auf dem Kerbholz hatte, und es war beinahe etwas wie das Glück, wenn die beiden an den langen Winterabenden auf ihrem einsamen Waldschlosse am Kaminfeuer saßen und einander ihre Schwermut vertrieben. Oft redete der Reppert mit seinem Weibe darüber, dass es seine größte Hoffnung wäre, einen Sohn zu bekommen. Wenn er auch selber verloren sei, und es irgendeinmal mit ihm ein schlimmes Ende nehmen müsse, so wollte er doch dafür sorgen, dass aus dem Sohn ein unbescholtener Rittersmann werde, der den Namen, welchen er selber geschändet habe, wieder zu altem Glanze brächte.
Nun schenkte ihnen der Himmel eines Tages ein Kindlein, aber es war ein Mädchen. Das konnte der Reppert nicht verwinden. Er geriet außer sich vor Ärger und Enttäuschung. So oft er das kleine Wesen ansah, packte ihn die Wut, und toll, wie er war, erwürgte er das Kind vier Wochen nach der Geburt. Die arme Mutter klagte lange um ihren Liebling. Sie sprach kein Wort mehr mit dem unmenschlichen Manne, der ihr das Liebste genommen hatte, was sie in ihrer Einsamkeit zu trösten vermochte.
Als das Kind nicht mehr da war, bereute der Ritter seine Tat. Er bat seine Frau bitterlich um Verzeihung. Wenn sie ihn abwies, ging er still hinaus wie ein schuldbewusster Mensch, doch am nächsten Tage kam er wieder und flehte sie an, ihm zu vergeben. Und sie vergab ihm. Sie sagte sich, dass er zwar ein verworfener und verlorener Mann sei, dass ihn aber schließlich doch jemand lieb haben müsse, wenn es nicht noch schlimmer werden sollte, und wer könnte das anders sein als sie, die sie nun einmal sein Weib geworden war.
Nach einigen Jahren bekamen sie abermals ein Kleines, und es war wieder ein Mägdlein. Da kante die Verzweiflung und Wut des entsetzlichen Mannes keine Grenzen. So sehr die unglückliche Mutter das Kind auch vor seinen Augen zu verbergen wusste, eines Tages lag es erwürgt in der Wiege. Nun gab die arme Frau alle Hoffnung auf, aus ihrem teuflischen Gatten jemals einen besseren Menschen zu machen, und sie sann und trachtete, wie sie ihm für immer entfliehen könnte. Er aber, da er es merkte, wie sie nichts mehr von ihm wissen wollte, ließ sie noch schärfer bewachen als bisher und bedrohte die Wächter mit dem Tode, wenn sie sie entweichen ließen. Als er sah, dass es ihn die Liebe seines Weibes gekostet hatte, bereute er sein Verbrechen bitterlich. Gram und Sehnsucht bleichtem ihm das Haar. Der Mann konnte nicht mehr leben, ohne an seinem reinen, gottergebenen Weibe einen Menschen zu haben, der ihm gut war. Ein Jahr gingen die beiden wie Fremdlinge nebeneinander her. Die Frau konnte kein Vertrauen mehr zu ihm fassen. Sie vermied es, das Wort an ihn zu richten oder ihm sonst zu begegnen. Der Ritter wurde kränklich. Wie seine Kräfte abnahmen, wurden auch seine Übeltaten auf den Straßen seltener und weniger blutig als früher, da er noch in Kraft und Gesundheit strotzte. Als die Frau sah, wie ihr gottverlassener Mann an Leib und Seele zu leiden begann, jammerte sie der verlorene Mensch so tief, dass sie sich seiner erbarmte und ihm wieder gut wurde.
Sobald er sich von seinem Weibe geliebt sah, erholte sich der niedergebrochene Räuber, fasste Mut zu neuen Untaten, und mit seiner Gesundheit kehrte auch seine Wildheit und Grausamkeit zurück. Nun, da er älter wurde, brannte er darauf, dass ihm sein Weib ein Söhnchen schenke, damit der Traum seines verlorenen Lebens sich erfüllen könne, ehe ihm das Alter oder der Galgen das Ende setzte. Da schenkte ihnen im siebenten Jahre ihrer Ehe der liebe Gott noch einmal ein Kindlein, und es war auch diesmal ein Mädchen. In einem Wutanfall, der so schrecklich war, dass das Gesinde vor ihm in die Keller flüchtete, und der ihn selber aufs Krankenlager warf, erwürgte er auch das dritte Kind.
Als sein Weib die Tat sah, wurde es starr vor Entsetzen. Sie schien die Sprache verloren zu haben und den Hungertod einem Zusammenleben mit solch einem Scheusal vorzuziehen. Sie schloss sich in ein entferntes Turmgemach ein und nahm nicht Speise noch Trank. Das Gesinde berichtete ihr, durch die Tür redend, die sie nicht öffnen wollte, dass der Reppert krank wäre und in einem fort nach ihr rufe; dass erglaube, sterben zu müssen. Das arme Weib vernahm wohl die Worte, aber ihr eigener Jammer war so groß, dass sie gar nicht darauf achtete, was gesprochen wurde. Dann, mitten in der Nacht, hörte sie auf dem Gang vor ihrem Zimmer sonderbare Geräusche. Es kratzte dort etwas auf den Fliesen herum, und dabei war ein Gewinsel wie von einem kranken Hunde. Als die Frau durch die Türspalte lugte, was das wäre, lag da auf dem Boden ihr Mann, von schwerer Krankheit befallen. Er hatte sich auf allen Vieren hergeschleppt. Seine Glieder zitterten, Schaum stand ihm auf dem Munde, und er brachte nur flüsternd unverständliche Worte heraus. Endlich verstand sie, was er von ihr wollte.
Er bat sie, um Gottes willen nach dem Ort St. Johann hinunter zu gehen, wo sie niemand kannte, und ihm eine bestimmte Arznei zu besorgen, die seine Krämpfe lindern würde. Wie es den Mann so krank sah, den es doch auch lieb gehabt hatte, erbarmte sich das Weib seiner. Sie brachte ihn nach seinem Lager, nahm das Rezept, welches er ihr gab, und machte sich, als es Tag wurde, auf den Weg.
Als sie nach St. Johann kam, das unter dem Walde im Tale liegt, trat sie in die Kirche, warf sich vor dem Altare auf die Knie und betete inbrünstig zu Gott. Das bemerkte der Geistliche, der gerade aus der Sakristei kam. Er nahm sich des verzweifelten Weibes an. Auf seine Frage und Ermahnungen erzählte sie ihm ihr ganzes Schicksal. Da sagte der geistliche Herr, dass sie ausersehen sei, das Land von der Plage des gefürchteten Räubers zu erlösen. Statt der Arznei brachte er ihr einen Schlaftrunk, der den Räuber in tiefe Bewusstlosigkeit versenken würde. Dann würde man ihn ausheben und richten. Wohl sträubte sie sich etwas im Herzen der Frau gegen dieses Ansinnen, wenn sie’s aber recht überlegte, musste sie dem Pfarrherrn recht geben. Denn die blutigen Taten des Reppert forderten, dass man ihn vor den Richter stelle. Nachdem der Pfarrer ihr sein Wort gegeben hatte, dass der Trunk nur ein Betäubungsmittel und kein Gift sei, trat sie den Rückweg auf das Stiefler Schloss an.
Sie traf ihren Mann in hitzigem Fieber. Ruhelos warf er sich auf seiner Bettstatt hin und her. Für einen Augenblick erkannte er sie und dankte ihr für die Hilfe. Dabei leuchtete durch sein verwüstetes und von der Krankheit verzerrtes Gesicht noch einmal der herzliche Ausdruck, den sie in den besten Jahren ihrer Ehe an ihm gesehen hatte, als sie noch hoffte, einen guten Menschen aus ihm zu machen. Die Knie fingen an zu zittern, wie sie nun einen Becher mit Wasser füllte und die Arznei hineingoss, die doch ein Schlafmittel war und ihn dem Richter ausliefern sollte. Ehe ertrank, reichte er ihr seine glühende Hand. Obwohl es eine Mörderhand war, drückte sie das Weib, und die Tränen brachen ihr aus den Augen. Der Fiebernde bemerkte es aber nicht, denn er setzte jetzt, wobei sie ihm helfen musste, den Becher an den Mund und leerte ihn mit einem hastigen Zuge. Noch ehe er das Trinkgefäß zurückreichen konnte, sank er bewusstlos auf sein Lager. Da strich sie ihm mit liebkosender Hand das Haar aus den Augen, das ihm von der Stirne hing, und küsste diese Stirn, die schon dem Henker gehörte, mit einem flüchtigen Abschiedskuss. Dann eilte sie in den Hof, das Haus des Leidens für immer zu verlassen. Dort bemerkte sie, dass alle Türen, auch die Ställe und das Burgtor, geöffnet waren. Das Gesinde, die Überrumpelung des Raubnestes ahnend, war mit Pferden und Hunden auf Nimmerwiedersehen geflüchtet. Der ohnmächtige Burgherr lag mutterseelenallein allein in seinem weit geöffneten Schlosse. Wie sie die Burg verließ, sah sie schon auf dem Wege von St. Johann her ein Fähnlein Berittener kommen, und aus dem Tale marschierten an hundert Bewaffnete, um das Nest des Reppert, den man nun nicht mehr zu fürchten brauchte, auszuheben. Wie im Traume einherwandelnd erreichte die Frau des Raubritters nach vielen Stunden ihren Heimatort.
Ihre Eltern waren gestorben. Als sie sich den Leuten zu erkennen gab, wollten sie es nicht glauben. In dieser bleichen, vom Gram verzehrten und gealterten Frau mit den ergrauenden Haaren, wollte niemand das bildschöne Mädchen wiedererkennen, das erst vor sieben Jahren verschwunden war und kaum mehr als dreiundzwanzig Jahre zählen konnte.
Schließlich fand sie aber doch in dem Häuschen, das die Eltern hinterlassen hatten ein Heim, wo sie arbeiten, beten und nachdenken konnte. Der Reppert wurde gehenkt.
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