Inhalt
In dem stimmungsvoll „In der Seng“ in einer niedern Felswand und in eine Nische darin eingehauenen Zweigötterbild eines seitlichen Waldtales vor Sengscheidt, das man ehemals auch „Im Sengelter“ nannte und das sich gegenüber des Sagenberges vom Stiefel auf seiner Rückseite, also noch in einem Seitental des so lieblichen Grumbachtales befindet, will das Volk „Herrn Rapp und seine Frau“ oder „Hänsel und Gretel“ erkennen und benennt es mit diesem Namen.
Ehemals trug es am Kopf auch die Buchstaben IR und die Jahreszahl 1711 eingehauen, was heute vollkommen ausgewittert ist. Im späten 18. Jahrhundert aber benannte man dies keltische Heiligtum, mit Bezug auf den hier in dieser Gegend und um Ensheim so begüterten Abt von Wadgassen, den Abtsfelsen….
Bei „Hänsel und Gretel“, so im Volksmund genannt, handelt es sich um einen bedeutenden Rest gallorömischer Kultur. Das Kulturdenkmal befindet sich in der Südwand eines gewaltigen Felsblockes, der an seiner Oberseite künstlich eingeebnet ist.
Etwa 15 Meter über der Talsohle am Berghang des Steinkopfes finden sich in dreiviertel Lebensgröße (1,20 Meter und 1 Meter) zwei Figuren, eine männliche und eine kleinere weibliche, in sanfte Nischen eingehauen. Das verwitterte Reliefbild, das in dem schmalen und stillen, nur nach einer Seite hin geöffneten Talkessel zu finden ist, diente möglicherweise einst als Altar. Vielfach fand die Verehrung unter freiem Himmel ohne Tempelanlage statt. Entstanden ist das Felsrelief im 2. bis 3. Jahrhundert n. Chr. und ist in Verbindung zu bringen mit Waldgottheiten aus dem gallorömischen Götterkreis. Deutungen gehen von dem keltischen Götterpaar Sucellus und Nantosvelta aus. Sucellus, der altkeltische Waldgott, wird immer mit den Attributen Bier, Wildschwein, Hammer und Weinamphoren dargestellt. Einen Hammer/Stab könnte die Figur auch wirklich in ihrer Hand halte. Es ist aber durch Verwitterung nicht mehr genau zu sehen. Im Volksmund wird das Kulturdenkmal auch als „Die Engelchen“ und „Herr Rapp und seine Frau“ bezeichnet.
Die Klostermühle bei Ensheim
In alter Zeit stand in der Ensheimer Gegend eine einsame Mühle, die heute verfallen ist. Sie gehörte dem Kloster Wadgassen und war an einen tüchtigen Müller verpachtet, der ganz allein sein Handwerk darin betrieb. Denn es war ein armer Mann, und er konnte sich keine Knechte halten. Auch brachte die kleine Mühle nicht viel ein. Wenn er seinen Pachtschilling bezahlt hatte, blieb ihm gerade noch das übrig, was er zum Leben brauchte. Das verdroß den braven Mann keineswegs. Er war zufrieden und immer bei guter Laune.
Als er einmal an einem nebelgrauen Tage das Gebälk am Mühlenwehr ausbesserte, hörte er ein schrilles Geschrei wie von einem Kinde. Es kam aus den Binsen am Ufer des Mühlteiches und klang gerade so, als ob dort ein Kind am Ertrinken wäre. Schnell sprang der Müller hinzu und watete stracks ins Wasser hinein; denn er sah, daß dort etwas zappelte. Er faßte das sonderbare Ding mit beiden Händen und kehrte mit ihm triefnass ans Ufer zurück. Es war wirklich ein lebendiges Wesen, aber wie merkwürdig sah es aus. Es glich einem alten Manne und war doch nur drei viertel Ellen hoch. Dabei hatte es einen ungeheuer großen Kopf. Der saß auf einem zierlichen dürren Körperchen. Auch hatte der kleine Kerl einen Buckel und einen langen schneeweißen Spitzbart. Sein durchnässtes Kittelchen aus grauem Zeug war von sonderbarem Schnitt. Über sein fahles, runzliches Gesicht fielen wirre Haarsträhnen, die vom Wasserschlamm beschmutzt waren. Das Kerlchen war barhaupt. Weit im Mühlteich sah der Müller seine graue Zipfelkappe schwimmen und das knorrige Eichenstöckchen.
Der Kleine zitterte vor Kälte. Er hustete röchelnd das schlammige Wasser aus der Brust, das er eingeschnappt hatte. Der Müller nahme das absonderliche Wesen behutsam auf den Arm und trug es nach der Mühle. Dabei bemerkte er zu seiner großen Verwunderung, daß der kleine Mann Gänsefüße hatte, die breit und gelb aus dem Hosenbein heraushingen. Nun wußte er, daß es kein Menschlein war, was er da im Arm hatte. Aber er sagte nichts darüber, sondern tat so, als ob er die Mißgestalt gar nicht sähe.
In der Mühle heizte er den Kachelofen ein. Er legte den Kleinen in sein eigenes Bett und kochte ihm einen heißen Tee von Minzkraut. Die Kleider des Männleins wurden am Ofen getrocknet; der Müller gab ihm einstweilen eine von seinen Jacken, worin er sich bis über den Kopf einhüllen konnte. Trotzdem bekam es Fieber, und eine Woche lang lag es krank in des Müllers Stube. Der bezog während dieser Zeit sein Lager auf der Ofenbank. Er labte den Kranken mit Milch, Eiern und Pfannkuchen, schlachtete auch ein Hühnchen und brachte ihn auf diese Weise wieder zu Kräften.
Bald begann der Kleine mit seinem Pflegevater zu plaudern. Er verriet ihm, daß er ein Wichtel sei und mit gar vielen seinesgleichen im Gumberberge hause. Zuweilen käme er in den Mühlgrund herab. Im Mühlteich wohne ein Nix. Der sei ihm schon lange feind und habe ihn hinterrücks ins Wasser gestoßen. Dem Müller gefiel das behagliche Geplauder mit seinem Wichtel so gut, daß er ihm vorschlug, eine Zeitlang bei ihm zu bleiben. Der Kleine aber meinte, es ging leider nicht, und schon am folgenden Tage, nachdem er vom Krankenlager aufgestanden war, nahm er Abschied von seinem Retter. Es fiel ihm gar nicht ein, auch nur ein einziges Wörtlein des Dankes zu sagen für all die Mühe, die der hilfreiche Mann aufgewendet hatte, doch der gutmütige Müller merkte das nicht einmal. Er holte die Zipfelkappe und das Stöckchen, die er mittlerweile aus dem Mühlteich herausgefischt hatte, und händigte beides seinem scheidenden Freunde aus. Der ergriff mit heller Freude sein geliebtes Wanderstöckchen. Die Zipfelkappe schob er unter den Latz seines Kittels.
Sie verließen zusammen die Mühle; denn der Müller wollte seinen Gast bis an den Rand des Waldes begleiten. Als sie am Mühlteich vorüberkamen, zeigte der Wichtel dem Müller den Platz, wo ihn der Nix vom Mühldamm gestoßen hatte, und richtig, wie sie näher kamen, hüpfte plötzlich ein ungeheurer Frosch mit garstigen Glotzaugen vor ihnen in das Binsengesträuch, daß ihnen das Wasser ins Gesicht spritzte. Da lachte der Wichtel und wischte sich mit seinem Barte die naß gewordene Nase. Der Müller aber drohte dem Wasserunhold mit der Faust, um ihm zu zeigen, daß der Kleine jetzt einen Beschützer habe. Dann reichte der Wichtel dem Müller die kleine, dürre Hand und sah ihm so freundlich in die Augen, als ob er noch etwas wüßte, was er ihm jetzt nicht sagen dürfe. Der Müller drückte wehmütig die Wichtelhand; denn er dachte daran, wie mutterseelenallein er jetzt wieder auf seiner Mühle hausen müsse. Eben wollte er dem Scheidenden noch ein liebes Wort sagen und ihn fragen, ob er nicht einmal wiederkommen könne, da zog der Wichtel die Kappe aus dem Wams und setzte sie auf. Im gleichen Augenblick war er verschwunden. Es war natürlich eine Tarnkappe, wie sie dieses Volk zu tragen pflegt.
Traurig ging der Müller nachhause. Um seine Einsamkeit zu vergessen, arbeitete er noch fleißiger als sonst in der Mühle und in dem kleinen Hausgarten, der dazu gehörte. Bald gingen allerart merkwürdige Dinge vor. Über Nacht waren die Säcke aufgestapelt. Das Mühlrad war geputzt. Wenn er anderwärts beschäftigt war, schüttete jemand das Getreide in den Trichter, sodaß die Mühle niemals leer lief. Auch wurde das Mehl so blendend rein und gut, wie es keine andere Mühle herstellen konnte. Bald mußte er allen Bauern in der Gegend das Getreide mahlen und wurde, obwohl er keinen Knecht hatte, immer damit fertig. Sein Garten warf dreifache Ernten ab. Der Hühnerhof brachte soviel Eier, daß er den größten Teil verkaufen mußte. In wenigen Jahren war der Müller ein wohlhabender Mann. Da zog er nach einem Städtchen an der Saar, um im Alter noch ein wenig mit den Menschen beisammen zu sein.
Sein Nachfolger, dem der Abt von Wadgassen die Mühle nun verpachtete, war ein ganz anderer Mensch. Der wollte schnell an der guten Wirtschaft, die er übernahm, ein reicher Mann werden. Und da er habsüchtig war, war er auch geizig. Von der Hilfe des Wichtelvolkes wollte er nichts wissen, denn er fürchtete, die Männlein könnten ihm ein Stück Brot, ein Ei, ein paar Äpfel oder sonst etwas stehlen. Und das gönnte er ihnen nicht. Wenige Tage, nachdem er die Mühle bezogen hatte, sah er ein graues Männchen auf der Halde über dem Mühlwehr. Es war da ein Loch in der Erde, und der Kleine mühte sich vergeblich, einen Stein davor zu rollen. Da kam es zum Müller getrippelt und bat ihn, den Stein vor das Loch zu legen. Es war ein Felsstück, das der starke Mann leicht hätte auf dem Arm tragen können. Der aber gab dem Stein einen Fußtritt, daß er den Abhang hinab ins Tal kollerte, und schlug dazu ein Hohngelächter an. Er nannte das Wichtelvolk ein Diebespack, schimpfe es Gänsefüßler, die ihm vom Leibe bleiben sollten. Er wußte nicht, daß diese Kerlchen ebenso rachsüchtig sein können, wie sie hilfreich sind, und daß Gänsefüßler für sie die schwerste Beleidigung ist.
Und sie haben sich gerächt. Sein Mehl wurde immer schlechter. Die Mühldämme rutschten ab, das Wehr brach durch. Alle paar tage blieb das Mühlrad stehen, weil sich etwas eingeklemmt hatte. Im Garten wollte nichts wachsen. Die Hühner legten keine Eier mehr. In Jahresfrist war die Mühle so heruntergewirtschaftet, daß der Abt den Müller davonjagte. Der schied als ein bettelarmer Mann und wurde Landstreicher.
Die Fräulein im Siedelwalde
Im Siedelwalde gibt es eine wunderschöne Wiese. Sie ist auf allen Seiten von hundertjährigen Bäumen umgeben. Im Frühjahr blühen dort die leuchtenden, goldgelben Schlüsselblumen und am Waldrande die allerliebsten Maiglöckchen. Im Herbst glänzen über dem Grün die feierlichen, geheimnisvollen Herbstzeitlosen, die giftig sind, und die man nicht berühren darf.
Eines Tages – der September nahte schon heran – machte sich der Sohn des Bauern, dem die Wiese gehörte, in frühester Morgenstunde auf den Weg, um das Grummet zu mähen. Weil ein sehr heißer Tag bevorstand, wollte der Bursche seine Arbeit in den kühleren Morgenstunden verrichten. Als er von Ensheim dem Siedelwalde zuschritt, war es noch dunkle Nacht. Glücklicherweise kannte er den Weg, denn sonst hätte er an diesem Morgen seine Wiese nimmermehr gefunden. Es lag ein Nebel über dem Lande so dick wie Watte. Den Wald bemerkte er erst, als die tautriefenden Buchenzweige sein Gesicht streiften. Er ging dem Waldrande entlang, bis er den Pfad fand, der in das Gehölz führt. Bald nahm der Nebel über den Wipfeln der Buchen eine rosenrote Farbe an, und es wurde heller. Als der Jüngling sich seiner Arbeitsstätte näherte, hörte er zu seiner Verwunderung einen zarten, mehrstimmigen Gesang. Er blieb stehen und lauschte. Die wunderlichen Klänge schienen von der Wiese zu kommen. Mit unhörbaren Schritten schlich er auf dem weichen Moose den Pfad entlang und erreichte bald den Rand der Lichtung. Richtig, von der Mitte der Wiese tönte ihm die süßeste Melodie entgegen, wie er noch keine in seinem Leben gehört hatte. Es wurde ihm dabei so weh und wieder so wohl um die Brust, dass er seiner Arbeit ganz vergaß. Er lehnte die Sense an einen Baumstamm und lauschte mit verschränkten Armen dem berückenden Singsang. Der Nebel wurde dünner, schon schimmerte blassgrau das Himmelsgewölbe hindurch. Dann brachen glutrot die ersten Strahlen der Morgensonne durch das dunkle Blätterwerk des Buchenwaldes, und die ganze Wiese erglühte in rosarotem Nebelglanz. Nun sah er, was er noch niemals gesehen, und was schöner war als die Wundes des Traumes. Drei Wiesenfräulein tanzten auf dem grünen Rasenteppich einen Reigen. Sie hielten sich bei den Händen gefasst und drehten sich langsam mit wiegenden Bewegungen im Kreise. Dazu sangen sie eine so schwermütige Weise, dass den Burschen eine unstillbare Sehnsucht befiel. kein Auge konnte er mehr von ihnen wenden.
Sie trugen Schleierkleider, zarter als die feinste Seide. Die wallten im Takt des Gesanges feierlich über dem taufrischen Gründen. Kaum schienen die schlanken Gestalten mit den weißen Füßen die Spitzen der Gräser zu berühren, so schwebsam war der Tanz. Ihr Haar war gelöst und umfloss die leuchtenden Glieder, dass die Arme aus ihm, bald hier bald da, wie aus schimmernden Fluten emportauchten. Von unwiderstehlicher Sehnsucht gezogen, ging der Jüngling auf den Riegen zu, ihn näher zu schauen. Eine war blond wie Flachs und hatte Auge von der Farbe der Kornblume. Ihr Anblick zerstörte alle Erinnerung. Die zweite war braun wie der Glanz der Kastanie. Ihre Augen waren blassgrau und tief wie das Wasser des Meeres. Sah man hinein, so gab es einem einen Stich in Herz. Die dritte war schwarz wie der Nachthimmel von Augen und Haaren. Wenn er sie ansah, begann er zu taumeln. Alle drei aber hatten irgendetwas in ihrer Erscheinung, was anders war als bei den Menschenkindern, ohne dass er recht sagen konnte, was es sei. Ihre Augen waren weiter, ihre Haare länger, ihre Gestalt schmächtiger. Die Haut erschien durchsichtig und leuchtend, und sie waren nicht größer, als zwölfjährige Mägdlein zu sein pflegen.
Während der Bursche noch mit offenen Munde auf den Reigen starrte, und, wie er meinte, von den schönen Mädchen gar nicht beachtet wurde, öffneten die drei urplötzlich den Tanzkreis, ohne den Reigen zu unterbrechen, und wie sie ihn gleich darauf wieder schlossen, hatte die Schwarze den Jüngling bei der rechten, die Braune ihn bei der linken Hand ergriffen, und schon fühlte er, wie sein Körper über dem Grase zu schweben und sich mit ihnen im Kreise zu drehen begann. Der wunderbare Gesang stieg ihm wie ein schwerer Wein in den Kopf, er fühlte, dass ihn ein Schwindel erfasste, aber es war ein glückseliges Gefühl; denn aus den Händen der Mädchen, welche die seinigen hielten, drang ihm ein süßer Rausch zu Herzen, dass er Gott und die Welt vergaß und ihm die Sinne schwanden. Er glaubte noch ein tolles, klirrendes Gelächter zu vernehmen, das wie aus unendlicher Ferne kam, dann wusste er nichts mehr von sich…
Um elf Uhr vormittags ging sein Vater, der alte Bauer, nach dem Siedelwalde, um nachzusehen, wie weit sein Sohn mit der Grummeternte gekommen sei. Verwundert sah er am Rande der Wiese die Sense stehen. Gemäht war nichts. Die Bienen summten über den Klee, und die Waldschmetterlinge naschten an den weißen und gelben Sternblumen, die hin und wieder zwischen den Gräsern blühten. Auf der Mitte des Wiesenplanes lag etwas Dunkles. Als er hinzutrat, sah er seine Sohn in tiefem Schlafe liegen. Wie er ihn wecken wollte, merkte er, dass es kein gewöhnlicher Schlaf war. Es dauerte gar lange, bis er den Burschen munter bekam, und auch dann taumelte er noch wie ein Trunkener. Da wusste der Alte, dass die Wiesenfräulein ihr Wesen mit ihm getrieben hatten, wie das in diesem Walde nicht gar selten vorkam. Wahrscheinlich hatte ein Hahnenschrei oder ein Morgenruf die Geister verscheucht, sonst hätten sie den armen Jungen zu Tode getanzt, wie es ihre Art ist. Bald fand der Bauer seinen Verdacht bestätigt; denn um den Platz, wo er den Sohn angetroffen hatte, wuchsen im Kreise die Hexenpilze, die immer da wachsen, wo die Unheiligen ihren nächtlichen Reigen tanzen.
Die drei Wiesenfräulein – Kurzfassung der Fräulein vom Siedelwalde
Früh vor Tagesanbruch mähte am Siedelwalde ein Bauer seine Wiese. Da vernimmt er auf einmal ein liebliches Klingen und Singen wie Stimmen der Vögel zugleich traten aus dem Nebel drei Jungfrauen des zartesten Alters hervor, in langen weißen Gewanden, und tanzten einen wunderseltsamen Tanz. Die eine trug einen silbernen Halbmond auf der Stirn. Plötzlich krähte der Hahn auf der nahen Mühle, und im Nu war die Erscheinung verschwunden, doch mit einem Gelächter, daß dem Bauern fast graute. Später fand er an jener Stelle die sogenannten „Hexenringe“, die zur Herbstzeit auf Anger und Wiese vorkommenden Kreise von großen und kleinen Pilzen, dort in der Gegend „Hundsfischd oder Bovist“ genannt.
Typischer Erklärungsversuch der sogenannten Hexenringe:
Der Name Hexenring oder Feenring geht auf den Volksglauben zurück, da man in diesen runden Formen Versammlungsorte der Hexen oder Feen sah, deren Betreten magisch oder verboten war. Wachstumsorte besonderer Pflanzen, zum Beispiel solcher mit speziellen Heileigenschaften, werden in den verschiedenen Kulturen mit Geistwesen verbunden.
Vetter Lorenz, der Köhler – Das Graumännchesloch
Gleich Gutes geschah Vetter Lorenz, dem Köhler. Der saß eines Abends im Wald vor seiner Hütte, sein kärgliches Mahl war schon verzehrt, aber den Rest, den sog. „Gottestheil“, hatte er wie gewöhnlich zur Seite gestellt. Da steht ein Männlein vor ihm und bittet um eine kleine Erfrischung. Es war ein seltsames Wesen, es reichte dem Köhler bis kaum an die Kniee, hatte einen gewaltigen Kopf mit eisgrauem Barte und funkelnden Augen, darauf eine Zipfelkappe, um die Schulter einen Schnappsack, die Hand hielt einen dicken knolligen Stock.
Der Köhler willfahrte und führte seinen seltsamen Gast endlich zur Ruhe. In der Nacht wird Lorenz geweckt. Das Männlein, eine Kienfackel in der Hand, führte ihn bergab und bergauf bis an den Gränzstein des Bischmisheimer Bannes. Hier gab sich der Führer als ein Zwerglein aus dem Gumbersteine zu erkennen und sprach: „Grabe hier an dieser Stelle hinunter und verwerthe das unscheinbare Gestein!“ Mit einem „Glück auf!“ war der Kleine verschwunden. Der Köhler machte es also und ward ein grundreicher vielbeneideter Mann. Der Abt des Klosters Wadgassen, welchem „das Recht auf alle Mineralia unter der Erde auf Ensheimer Banne“ zustand, wollte das Schürfen nunmehr auf eigene Rechnung betreiben. So aber wollten es die Zwerge nicht. Der Abt ließ graben und graben, und statt des erwünschten Gewinnes erhielt er nichts als lauter leeres, taubes Gestein.
Die Wichtel vom Gumberstein – Variation der Köhler-Geschichte
Im Escherstale wohnte in einer bescheidenen Hütte ein armer Köhler. Eines Tages saß er vor der Tür auf einem Buchenklotz und verzehrte sein Abendbrot. Es bestand aus Sauermilch und Schwarzbrot. Als er sich gesättigt hatte, stellte er die Speise beiseite. „Den Rest für die Gottlosen!“ murmelte er vor sich hin und erhob sich, um sein Lager aufzusuchen. Da stand wie aus der Erde gewachsen ein kleiner grauer Mann vor ihm, ein zierliches Kerlchen, das ihm kaum bis an die Knie reichte. Mit einem zarten Stimmchen bat es ihn um ein bisschen Essen. Der Köhler betrachtete verwundert das merkwürdige Geschöpf mit dem dicken Kopf, das mit seinem knorrigen Eichenstock ungeduldig im Laub herumstocherte. Der scheint wirklich Hunger zu haben, dachte sich der Köhler, und er reichte ihm, was von seinem Abendessen übrig war.
Der Buchenklotz, der dem Köhler zum Sitz gedient hatte, passte für das Männlein gerade als Tisch. Bedächtig stellte es die Milch vor sich hin, teilte den Brotrest in kleine Stückchen, tauchte sie ein und schmatzte an dieser Labe, bis alles aufgegessen war. Dem Köhler machte es Vergnügen zuzusehen. Mittlerweile war die nacht angebrochen. Er ist gewiss nicht von hier und wird noch weit zu laufen haben, meinte der Köhler bei sich. Da kann es vorkommen, dass der Kümmerling über einen Felsen stolpert und den Hals bricht, oder dass die Wölfe ihn fressen. Dies bedenkend, bot er dem Kleinen in seiner Hütte ein Nachtlager an. Er schichtete ihm in einer Ecke dürres Buchenlaub auf, reichte ihm auch seinen alten Mantel als Decke. Der Graue nickte und machte es sich bequem. Nachdem der Köhler die Hütte verriegelt hatte, streckte er sich auf seinem Strohsack aus und schlief ein.
So mochte er an drei Stunden geschlafen haben, da wurde er geweckt. Jemand zupfte ihn am Schnurrbart, damit er wach würde. Verwundert richtete er sich auf. Vor ihm stand der kleine Mann mit einer brennenden Kienfackel in der Rechten.
„Erschrick nicht!“ piepste das feine Stimmchen ihm entgegen. „Ich bin der Wichtel vom Gumbersteine und will dir zeigen, wo du was finden kannst.“
Das ließ sich der Köhler nicht zweimal sagen. Hurtig sprang er auf die Beine, nahm Hacke und Schnappsack, und folgte seinem Führer in den Wald. Der führte ihn schweigend stundenlang über Berg und Tal nach einer Halde auf der Bischmisheimer Gemarkung. Dort deutete er auf den Boden und sprach: „Hier grabe hinunter, so soll es dein Schaden nicht sein.“
Und husch, war der Kleine verschwunden. Da stand nun der Köhler mit seiner Hacke und dem Schnappsack mitten in einem großen, fremden Walde. Es dämmerte schon im Osten. Wie der Köhler um sich her blickte, sah er nichts anderes als Moos, Heidelbeersträucher und knorrige Baumstämme, und er dachte, dass der sonderbare Besuch ihn gehörig gefoppt habe. Immerhin schlug er seine Hacke in das Erdreich, um wenigstens nichts unversucht zu lassen. Hei, da funkelte ihm schon das lauterste Edelerz entgegen, das es geben konnte. Nach ein paar Wochen hatte er sich soviel davon geholt, dass er ein wohlhabender Mann war, und das genügte ihm.
Nun war freilich der Abt von Wadgassen dahinter gekommen, dass der arme Köhler sich irgendwoher aus den Wäldern reiche Schätze geholt hatte. Da der Abt das verbriefte Schürfrecht für die Gegend besaß, sagte er zu dem Köhler mit gar freundlicher Stimme, er würde ihm alles, was er sich geholt hatte, nun mehr gern zu eigen überlassen, wenn er ihm verraten wollte, wo man diese Schätze finden kann. Der Köhler meinte, er selber hätte genug davon und bräuchte weiter nichts, dem Abt aber wolle er gern den Platz zeigen, wo er den Reichtum geholt habe. Und er führte ihn an den Ort. Der Abt ließ eine große Fördergrube anlegen, auch rings auf der Halde nach Erzen schürfen, aber seine Leute fanden überall nur taubes Gestein.
Die Heidenklamm bei der Gassenmühle
Auf dem Weg von Ensheim zur Gassenmühle kommt man an einem kleinen Geländeeinschnitt vorbei, der im Volksmund „Hääleklomm“ (Heidenklamm) heißt. Hier sollen in der Zeit der Missionierung der Gegend „Heiden“, also gottlose Menschen gelebt haben, die sich der Missionierung hartnäckig widersetzt haben. Nachts sollen sie immer wieder in der Klamm auftauchen und vorübergehende Passanten erschrecken.
Ob an dieser Stelle wirklich jemand fest gewohnt hat, kann bezweifelt werden. Tatsächlich handelt es sich um einen schmalen Einschnitt im Ormesberg der möglichwerweise durch einen Bach entstanden ist. Da in früheren Zeiten Vertreter des fahrenden Volkes auf dem Ormesberg Rast gemacht haben, ist es möglich, dass die Sage dort ihren Ursprung hat.
Die Donnerkeile
Auf den Bännen von Bischmisheim und Ensheim treten häufiger Steinbeile, -waffen und –werkzeuge zu Tage. Das Volk nennt sie hier wie anderwärts Donneräxte oder Donnerkeile. Man hegte dabei die Vorstellung, der niederschlagende Blitz bestehe aus einer harten und festen Stein-masse, und diese dringe so tief in die Erde ein, daß sie erst nach vielen Jahren durch eine unbekannte Kraft, mittelst welcher sie jedes Jahr mehrere Klafter sich erhebe, auf die Oberfläche zurückkehre und in diesen verschiedenen Formen zum Vorschein komme. Die Landleute schreiben diesen Steinen eine geheimnisvoll wirkende Kraft zu und streichen damit besonders die Euter der Kühe, wenn solche im Zustand der Entzündung sind.
Mit den Donnerkeilen könnten aber auch Fossilien gemeint sein.Die sogenannten Rostren haben die Form eines Keils – siehe Wikipedia
Gerade weil wir in einer Kalkgegend wohnen, ist das umso wahrscheinlicher.
Der Schlapphut – de Schlabbe
„Zu den besonders noch volkstümlichen Geistern überall um Ensheim und den Stiefel gehört auch der ‚Schlappe‘ (Schlapphut). Das ist ein schwarzer Mann mit einem Schlapphut und fliegendem Mantel, der vorab am Ausgang des St. Ingberter Waldes auf dem Weg nach Ensheim zugeht. Er begegnet dem Wanderer auf der Berghöhe im Nebel, springt ihm auf den Rücken und reitet ihn bis zum Ensheimer Hof, wo er verschwindet.
Aber auch auf der Straße von Eschringen nach Fechingen zeigt er sich gerne am ‚Pfaffenbrünnchen‘ und ‚Scheppchen‘, einem Walde an der ehemaligen bayerisch-pfälzischen Landesgrenze. Bis zum ‚Pfaffenbrünnchen‘ ließ er sich wohl tragen. Auch den Leuten, die frühmorgens in die Stadt auf den Markt gingen, erschien dieser schwarze Mann oft. Dann ging er neben ihnen her vom Scheppchen bis zum Pfaffenbrunnen, wo er verschwand, aber ohne ihnen je etwas zuleide zu tun.
Dann wird auch noch von seinem Erscheinen auf dem Mühlenweg von Heckendalheim nach Ensheim von anderer Seite berichtet, also von der Gemarkung ‚Hahn‘ beim Trieschhofe und demnach ebenfalls dem heutigen Ensheimer Hof, wo er wohl gerne bis zur Gemarkung ‚auf dem Ensheimer‘ die Vorübergehenden in den Abendstunden reitet. Bei Tage hält er sich in der dunklen, tiefen ‚Hohnerklom‘, insbesondere bei den großen Felsen beim Ausgang zum Kirkelbach auf.
Und schließlich spukt er dann noch in der ‚Schnapphahner Dell‘. Frauen aus Rentrisch scharrten hier einmal Laub im Walde und gingen dann, die gefüllten Laubtücher auf dem Kopf, durch die Schnapphahner Dell wieder dem Dorfe zu. Da ‚trabbte‘ es hinter ihnen, wie wenn jemand raschen Schrittes nachkäme. Sie blieben stehen und sahen sich um, aber kein Mensch war weit und breit zu sehen. Als sich dasselbe Spiel noch ein paarmal wiederholte, bekamen sie es mit der Angst zu tun und liefen schreiend auf die St. Ingberter Straße hinunter…
Der Spruch „de schlabbe hadd de Hudd verlor“ hat seinen Ursprung vermutlich in dieser Story. Möglicherweise handelt es sich beim „Schlabbe“ um den ersten erwähnten Anhalter der Geschichte noch vor Erfindung des Automobils. Warum er bevorzugt Ensheimer reitet ist leider völlig unbekannt.
Quelle: Helmut und Alexander Wilhelm: Ortschronik Ensheim. Ensheim 1977, S. 139 f